专辑简介

Sicker Man hat eine eigentümliche Leidenschaft. Er liebt es, mit möglichst abstrakten und formlosen klanglichen Elementen etwas zu konstruieren, das schlussendlich immer wieder auf einen Song hinaus läuft. Auf einen Song mit Strophe, Brücke, Refrain und allem Drum und Dran. Einen anrührenden, eindringlichen, im Ohr hängen bleibenden Song. Und noch etwas mehr als das. Denn um klassisches Songwriting handelt es sich nicht bei dem, was Sicker Man tut. Sicker Man ist Tobias Vethake. Der wiederum ist außerdem Bandmitglied bei Blainbieter, Minimal-Music-Macher als zero zero zero, eine Hälfte des Drone-Duos Mini Pops Junior und viel beschäftigter Komponist für Bühnenmusik. Diverse Filmmusiken, unter anderem für „Mux Mäuschen Still“ von Jan Henrik Stahlberg, gehen maßgeblich auf sein Konto. In seiner Wahlheimat Berlin ist er eher selten anzutreffen. Meistens ist er „auf Montage“ für eines der städtischen Theater in Hamburg, Bremen, Essen oder Dresden. Oder er ist als Sicker Man auf Tour. Vethake ist ein ausgesprochen produktiver Musikarbeiter. Mit seinen diversen musikalischen Projekten hat er bislang insgesamt 11 Alben veröffentlich, 6 davon als Sicker Man. Von den jährlich etwa 8 Theatermusiken ganz zu schweigen. Um seinen enormen Output und den guter Freunde zu kanalisieren, betreibt Tobias Vethake das label blankrecords, dessen Katalog auf nunmehr 17 Tonträger angewachsen ist. Nun also VICCA TANTRUM, das nächste Statement dieses bemerkenswert fleißigen Produzenten. Eine Erzählung in Albumform. Erzählt wird die Geschichte der Kunstfigur Victor Tantrum, der auf der Suche nach Liebe und Erlösung immer tiefer in den Strudel seiner Selbstzweifel gerät. Die Songs auf diesem Album sind Abbilder von Victors Innenschau, Bilder seines Seelenlebens. Victor ist ein Stadtfuchs auf der Suche nach seiner Identität, die er weder in der Großstadt noch in der Natur findet. Oft sind die Songs eingebettet in einen langen Fluss aus Fieldrecordings. Stadtgeräusche, Verkehrslärm, Stimmen – alles verwoben zu einem konstanten, beinahe beruhigenden Teppich. Wenn sich dann Augenblicke später Rhythmus und Harmonien aus all den Geräuschen herausschälen, wird das Abstrakte mit einem Mal greifbar. Aus einer Vielzahl von körperlosen Klängen lässt der Sicker Man mit wenigen Handgriffen Strukturen entstehen. Auf einmal ist der da, der Song. Gesungen vom warmen Bariton Vethakes, oft im Duett mit seiner Langzeit-Kollaborateurin Kiki Bohemia. In jedem der Stücke auf diesem Album gibt es enorm viel zu entdecken. Der Opener „Hard To Find“ etwa ist wie ein musikalisches Wimmelbild. Auf allen Ebenen geschieht ständig etwas. Es beginnt mit einem herzschlagartigen Puls und einer Vielzahl richtungsloser Geräusche. Aber sobald der Gesang einsetzt, fällt alles an seinen Platz. Der Refrain ist allein mit einem flächigen Rückwärts-Sound instrumentiert – einem Harmonium vielleicht? Von der Hihat bleibt schließlich bloß ein Flattern, das Stück zerfällt in verzerrte Fragmente. Und behält bei aller Ereignisdichte doch seinen ruhigen und beständigen Fluss. Ein Charakteristikum des gesamten Albums, das man auf verschiedene Arten hören kann. Als Sammlung stimmiger Songs oder als Reise durch raffiniert gestaltete Klanglandschaften. In „Troubled Mind“ folgen allein Bass und Gesang einer klaren Struktur. Alle anderen Elemente gestalten die schemenhafte, etwas gespenstische Atmosphäre. Klangschleier, Schlieren, alles fließt hier ineinander. Das wave-infizierte „Splendor“ bildet eine Einheit mit „Hold The Line“, dieser Hymne ewiger Melancholie. Es ist ein kleines Mirakel, wie Hold The Line mit all seinen sperrigen Elementen und gegenläufigen Linien schließlich doch zu sich selbst findet. So ist es durchweg auf diesem Album: Wie abstrakt und geräuschhaft die Bauteile auch sein mögen, am Ende stehen doch immer Songs. Atmosphärische, komplexe, irritierende, melancholische, aufrüttelnde, Hoffnung machende Songs.