专辑简介

Vor etwa 130 Jahren entwickelte sich in den Hauptstädten Argentiniens und Uruguays eine neue Musik- und Tanzform, der Tango. Zeitgleich entstanden in den USA die ersten Vorläufer des Jazz. Auslöser war jeweils das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen in den unteren Gesellschaftsschichten: hier die Stadtbevölkerung von Buenos Aires und Montevideo, die durch die europäischen Einwanderer zu einem bunten Mix wurde - dort die Afrikaner, die als Sklaven nach Nordamerika deportiert wurden und auf die Kultur der Weißen trafen. In beiden Fällen diente die Musik als Ausdruck der Gefühle von Menschen, die in einem Zustand von Entbehrung und Unterdrückung lebten. In der musikalischen Entwicklungsgeschichte finden sich diverse Wechselwirkungen. Gerade in seiner Anfangsphase wurde der Jazz vom Tango und dessen Vorläufern wie der Habanera beeinflusst. Umgekehrt greift der Tango Nuevo Jazzelemente auf und avanciert mit seinem bedeutendsten Vertreter Astor Piazzolla (1921 – 92) zu anspruchsvoller Konzertmusik. Werke des in Argentinien geborenen Komponisten, der selbst mit Jazzmusikern zusammengearbeitet hatte (z. B. mit dem Baritonsaxophonisten Gerry Mulligan auf „Summit“), bilden den Schwerpunkt in Hubert Winters besonderer Hommage: ROUND ABOUT PIAZZOLLA – TANGO GOES JAZZ. Dass es sich bei den vier Akteuren des vorliegenden Albums um mehrfach ausgezeichnete Jazzmusiker handelt, steht ausser Frage. Bei einem Genre-übergreifenden Projekt wie diesem könnte man aber nun befürchten, die Musik reduziere sich auf den bereits abgenutzten Versuch, den authentischen Klang eines Piazzolla-Ensembles nachzuahmen, mit dem Ergebnis eines inadäquaten Plagiats. Erfreulicherweise wird man beim Anhören eines Besseren belehrt: Tango-Kompositionen bilden die thematische Grundlage für völlig neue Arrangements, in denen die in der Tango-Musik traditionell vorhandenen Jazzeinflüsse verstärkt und mit dem Vokabular einer modernen Jazz-Formation weitergeführt werden. Die Melodie bleibt nachvollziehbar und doch klingt jedes Stück erfrischend anders als das Original. Das Quartett adaptiert die Kompositionen mit geistvoll sprühender Eigenständigkeit, wirkt dabei aber nie respektlos. Der warme, intime Gesamtsound, die gleichermaßen gefühlvolle wie kraftvolle Spielweise und das feinsinnige Interagieren der vier Musiker vermitteln Sinnlichkeit und Leidenschaft. So wirken die ganz persönlichen Interpretationen der Stücke in ihrer Originalität noch ursprünglich. Virtuose Passagen verkommen nie zu selbstherrlicher Windbeutelei. Der temperamentvolle Impetus wird stets gepaart mit einer einfühlsamen Grundstimmung. Intelligent und abwechslungsreich arrangiert und von dem Quartett geschmackvoll dargeboten gewinnen die Tangos im Jazzgewand einen absolut neuen Reiz, der vom ersten bis zum letzten Ton zu neugierigem Zuhören verführt. So kann die Musik mit dem Zuhörer eine innige bisweilen fast schon erotische Liaison eingehen.